30. Nov
2025
17:00
Konzert, Installation, Performance
Ort: Salon des Amateurs
Unter der Leitung von Phillip Schulze entwickelten Studierende des projektbasierten Seminars „Akustische Kunst“ im Masterstudiengang „Klang und Realität“ an der RSH Düsseldorf Arbeiten, die das Phänomen der Latenz aus einer musikalischen Perspektive bearbeiten.
Erforscht wird ein erweiterter Musikbegriff: Klang und Musik im Zusammenspiel mit den bildenden und medialen Künsten, Bewegung, Raum und Form. In welchen Verhältnissen stehen organisierter Klang, Zeit und Raum zueinander, und wie unterscheidet sich die Organisation ephemerer Werke innerhalb verschiedener situationsspezifischer Kontexte?
Das für die Räume des Salon des Amateurs konzipierte Programm Unter der Schwelle umfasst Soundperformances, Fixed-Media-Stücke und Installationen, die sich gemäß den Fragestellungen des Projekts Latent Space. Latenzräume der Kunst zwischen einer engeren Orientierung an den latenten Räumen von KI-Modellen und einem erweiterten Verständnis des Latenz-Phänomens bewegen.
Programm:
Verena Barié und Finn Leonhardt
Blackbox [Installation]
Mit Blackbox stellen die Medienkünstlerinnen Barié und Leonhardt ein kooperatives Objekt vor, welches sich mit dem Wesen textbasierter KIs auseinandersetzt – nicht mit ihrer Funktionsweise, sondern mit ihren Charakteren und Persönlichkeiten. Je mehr wir suchen und hören, desto näher rücken wir dem inhärenten Selbstbewusstsein eines solchen Netzwerks und vielleicht der Antwort auf die Frage, was Künstlerinnen von KI lernen können.
Emil Theodor Felhofer
sang- und klanglos [Konzertperformance]
Wir hören einen Raum außerhalb des Raumes, in dem wir uns befinden. Die Wände des Salon des Amateurs werden zur Membran, die einen verborgenen und unsichtbaren latenten Raum wahrnehmbar machen wird. Wir befinden uns im Lautsprecher. Wenn wir wollen, werden wir zum Lautsprecher.
Performance für Fensterglas, Transducer, Synthesizer, Stimme und Schädelknochen
Frank E. Geier et al.
Collective ritual for prolonged sleep latency: Experimental approach and reasonable
fear reactions [Performance]
Was wir ganz genau wissen: Gefahr lauert immer dann, wenn unsere Gedanken abends vor dem Schlafengehen nicht auf weißen Wolken in Schäfchenform an uns vorbeiziehen. Denn dann bleiben sie am Unwichtigen kleben, an der Unsicherheit des kommenden Tages, an Gesprächs- und Gefühlsfetzen. Und deshalb wird unser menschlicher Organismus seine Funktionen nicht herunterfahren können.
Das Monster, das dadurch erwacht, liebt den Zweifel und ergötzt sich an quälenden Gedankenspiralen. In der Nacht läuft es auf leisen Sohlen über die knarrenden Dielenböden und saugt uns den Schlafsand aus den Augen. Die Einschlaflatenz, die Zeit des Übergangs vom Wach- in den Schlafzustand, verlängert sich dadurch ins Unermessliche.
Frank E. Geier lädt zum kollektiven Ritual ein, in dem wir dieses Monster unter unseren Betten hervorzerren, um gemeinsam in seine hässliche Fratze zu blicken. Triefend von Selbsthass und profanen Gedanken über den nächsten Morgen entdecken wir da womöglich ein tiefes Loch und singen uns leise Gute-Nacht-Geschichten vor.
Dan Moufang
Blinken [Konzertperformance und Videoprojektion]
Aufgenommenes Videomaterial, Fieldrecordings und synthetische Klänge gehören zu dem Inhalt eines Tagebuchs, das die Suche nach dem Verborgenen zum Ausdruck bringt. Die Rückkopplungen menschlicher Gedanken verwandeln sich spiralförmig in Klänge, um schließlich in einem Meer aus Frequenzen zu enden. Scheinbar sinnvolle Verknüpfungen werden mit Sinnlosigkeit konfrontiert, um das unsichtbare Dazwischen erfahrbar zu machen.
Matthias Schneiderbanger
Anti-Tetraktys [Fixed Media]
Orakeltempel im antiken Griechenland, etwa in Delphi oder Dodona, galten als Orte verborgener Weisheit – Wahrheiten, die erst durch das Befragen der Orakel zutage traten. Sie waren gewissermaßen Latenzräume. Auch heutige KI-Systeme funktionieren ähnlich: Erst durch gezielte Prompts bringen sie Antworten hervor, denen oft ungeprüft geglaubt wird. Das Stück Anti-Tetraktys rekonstruiert auf Grundlage historischer Berichte die Klangwelt des Tempels von Dodona – mit Zimbeln, Glöckchen und Spielweisen wie dem Werfen von Steinen in einen Kessel. Kontrastierend dazu kam eine Skala zum Einsatz, die mithilfe sogenannter Dissonanzkurven entwickelt wurde – einer Methode zur Analyse der klanglichen Spannung zwischen Teiltönen. Diese Skala lässt sich als latente Struktur verstehen: Sie entspringt dem Klangmaterial selbst und löst sich bewusst von der Idee reiner Intervalle. Anstelle idealisierter und mystifizierender Klangreinheit verwendet das Stück eine alternative Struktur – und hinterfragt damit zugleich die scheinbare Reinheit von Orakelsprüchen, sowohl in der Antike als auch im KI-Zeitalter.
Simon Waskow
Questions in the Dark [Konzertperformance]
KI-basierte große Sprachmodelle treten als monumentale Instanzen auf, die alle unsere Fragen latenzfrei beantworten können. Die Philosophin Catherine Malabou argumentiert, dass wir unter diesen historisch-technischen Vorzeichen die Frage-Antwort-Struktur selbst erneut fokussieren müssen.
Der Titel Questions in the Dark nimmt Bezug auf zwei Stücke von Charles Ives: The Unanswered Question und Central Park in the Dark. Ives entwickelt darin eine musikalische Darstellung des Fragens einerseits und des Aufeinandertreffens inkongruenter Klangräume und (Um)-welten andererseits.
Simon Waskows Stück schließt hier mit einer Untersuchung von Latenz und Raum an. Neben den von Ives für The Unanswered Question vorgeschlagenen Instrumenten befragt es (musikalische) Instanzen, die eine Synthese aller (musikalischen) Möglichkeiten und damit gewissermaßen eine Antwort auf alle (musikalischen) Fragen versprechen: Die Orgel, die als Organon alle Klänge über ein Keyboard verfügbar und beherrschbar macht, und ihre kulturindustriellen Mutanten, die Promptmaschinen.
Leili Zamanahmadi
Nahoftegi [Konzertperformance und Videoprojektion]
Menschen formulieren Prompts für eine KI zumeist aus einer Suchbewegung heraus. Sie treten so in einen Dialog mit der Maschine, dem oft nur eine ungefähre Vorstellung voraus geht. In dieser ‚Latenz‘ wirken Herkunft, Kultur und Sprache nach; sie prägen die Prompts – als Frage, als Zeugnis von Ängsten oder auch als Nachricht an eine ‚vertraute‘ Stimme.
In Nahoftegi verwandelt Leili Zamanahmadi diese Vielfalt in eine poetische Erfahrung: Texte – gesammelt und selbst verfasst – erscheinen als Projektionen und treffen auf Live-Musik. Der persische Titel bedeutet ‚Latenz‘ und lädt dazu ein, diesen Begriff auf neue Weise erfahrbar zu machen.





