Filmfriend Januar 2022

Filme im Januar

kuratiert von Prof. Melissa de Raaf

Die Professorin für Dramaturgie und Filmisches Erzählen lehrt seit Sommersemester 2018 an der KHM. Ihre Arbeit als Drehbuchautorin und Regisseurin bewegt sich in einem internationalen, grenzüberschreitenden Raum. Mit ihrem Spielfilmdebüt „Felicia über alles“ (2009, gemeinsam mit Răzvan Rădulescu) erhielt sie internationale Aufmerksamkeit und wird seitdem mit dem rumänischen Autorenkino assoziiert.

Sie war u. a. an folgenden Filmen und Drehbüchern beteiligt: „Podslon“ (2010, Regie: Dragomir Sholev), „Die feinen Unterschiede“ (2012, Regie: Sylvie Casey-Michel), „La Incorrupta“ (2016, Regie: Tamar Guimarâes) und „Ensaio“ (2018, Regie: Tamar Guimarâes). Melissa de Raaf ist außerdem unabhängige Kuratorin von Filmprogrammen und Ausstellungen im Bereich der audiovisuellen Kunst. Bis 2004 war sie Mitglied der Auswahlkommission des Impakt Festivals in Utrecht (NL).


Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen

BG, RO, CZ 2018 | 139 Min. | R: Radu Jude mit Ioana Iacob, Alex Bogdan

Die junge Regisseurin Mariana Marin plant eine groß angelegte, radikale Theateraufführung zu Rumäniens Beteiligung am Holocaust. Unter General Antonescu wurde der massive Antisemitismus in der rumänischen Gesellschaft zur offiziellen Vernichtungspolitik erklärt, seine Rolle und die seiner Regierung im Zweiten Weltkrieg wird aber bis heute glorifiziert. Vom damaligen Massenmord will niemand mehr etwas wissen. Mit einem Reenactment der damaligen Ereignisse soll das Theaterstück das Publikum aufrütteln, doch bereits vor der Premiere zeigen sich zahlreiche Probleme: es gibt Unmut unter den Komparsen, ein Abgesandter der Stadtregierung möchte das Stück zensieren und auch in Marianas Privatleben läuft nicht alles glatt. Die als Weckruf konzipierte Performance gerät Schritt für Schritt zur Farce…


Zama

ARG, BR, F, MEX, NL, PT, ESP, USA 2017 | 115 Min. | R: Lucrecia Martel mit Daniel Giménez, Lola Dueñas

Don Diego de Zama, ein in Südamerika geborener Offizier der Spanischen Krone, sitzt in einem Provinzort an der Küste fest. Sehnlichst erwartet er einen Brief des Königs, der ihm eine Versetzung nach Buenos Aires mitteilen soll, wo er ein neues Leben beginnen möchte. Nichts soll seine gewünschte Versetzung gefährden, was Zama dazu zwingt, jede Anweisung untertänigst zu befolgen, die ihm von den zuständigen Gouverneuren zugetragen wird. Doch während die Gouverneure kommen und gehen, bleibt der ersehnte Brief des Königs aus. Nach Jahren des vergeblichen Wartens beschließt Zama, sich einer Gruppe von Soldaten anzuschließen, die einen gefährlichen Banditen jagen.


Der Loulou

F 1980 | 101 Min. | R: Maurice Pialat mit Isabelle Huppert, Gérard Depardieu

In einer Vorstadtdisco lernt Nelly (Isabelle Huppert), eine junge bürgerliche Frau, den charmanten Herumtreiber Louis, genannt Loulou (Gérard Depardieu), kennen. In ihrer Beziehung zu André (Guy Marchand), einem gut situierten Besitzer einer Werbeagentur, findet sie keine Erfüllung. Der unbeschwerte Lebenskünstler Loulou dagegen war bereits im Gefängnis und hält sich mit Gelegenheitseinbrüchen über Wasser. Nelly ist fasziniert von dem unkonventionellen Typ, der ihre Sehnsüchte nach einem weniger spießigen Leben verkörpert. Sie verlässt André und stürzt sich in das Abenteuer. Doch alles ändert sich, als sie plötzlich schwanger ist und mit den sozialen Verhältnissen Loulous konfrontiert wird…


Die Sonne Satans

F 1987 | 94 Min. | R. Maurice Pialat mit Gérard Depardieu, Sandrine Bonnaire

1926, ein Dorf in Frankreich: Die 16-jährige Mouchette tötet einen ihrer Liebhaber, den Marquis de Cadignan. Der Mord wird jedoch als Selbstmord kaschiert. Der katholische Dorfpriester Donissan versucht, nach mittelalterlichem Vorbild das Leben eines Heiligen zu führen: Er fastet, trägt Bußgewänder unter seinem Talar und geißelt sich. Sein Vorgesetzter, der Dekan Menou-Segrais, hält voll väterlicher Sorge den Eiferer zur Mäßigung an, ist andererseits aber auch fasziniert von der Kraft und Inbrunst des jungen Mannes, in dem er ganz besondere Gaben, wenn nicht gar eine Berufung zu erkennen glaubt. Bei einem einsamen nächtlichen Fußmarsch begegnet Donissan einem reisenden Pferdehändler, der ihn zu einer Abkürzung überredet. Aber der Fremde führt den erschöpften Priester nur immer tiefer in die Einöde und offenbart sich schließlich als Satan.


Der Schatz

F, RO 2015 | 90 Min. | R: Corneliu Porumboiu mit Toma Cuzin, Adrian Purcarescu

Der Beamte Costi führt ein bescheidenes, beschauliches Leben mit seiner Frau und seinem sechsjährigen Sohn, dem er abends immer Gute-Nacht-Geschichten erzählt, um ihm beim Einschlafen zu helfen. Eines Nachts jedoch klingelt sein Nachbar Adrian bei ihm, um sich Geld zu leihen: sein Elternhaus stehe kurz vor der Pfändung. Als Costi leider nicht helfen kann, verrät ihm Adrian, dass ein von seinem Urgroßvater vergrabener Schatz auf dem Grundstück schlummern soll. Wenn Costi es schafft, einen Fachmann mit Metalldetektor anzuheuern, wird die Hälfte des Schatzes ihm gehören – falls es diesen tatsächlich gibt …


Marseille

D 2004 | 91 Min. | R: Angela Schanelec mit Alexis Loret, Emily Atef

Dem Leben abgeschaut – in 75 Einstellungen.

Die junge Fotografin Sophie tauscht ihre Wohnung mit einer Studentin in Marseille. Es ist Februar, Marseille wirkt unter der harten Sonne schroff und unzugänglich. Sophie ist allein und fotografiert. In einer Autowerkstatt fragt sie den jungen Mechaniker Pierre, ob er ihr einen Wagen besorgen kann. Je mehr sie sich der Stadt überlässt, desto unmöglicher erscheint ihr ihr bisheriges Leben…


Der Tod von Ludwig XIV

F, PT, ESP 2016 | 116 Min. | R: Albert Serra mit Patrick d’Assumçao, Jean-Pierre Léaud

Leid und Sterben machen auch vor den Mächtigsten, ja Absoluten nicht Halt: Der Sonnenkönig Ludwig XIV. – eine Paraderolle für die Truffaut-Ikone Jean-Pierre Léaud – verspürt im August 1715 nach einem Spaziergang plötzlich Schmerzen im Bein. Die nächsten Tage verbringt er in seiner Kammer, führt die Regierungsgeschäfte bestmöglich weiter und gleitet allmählich seinem Tod entgegen. Ein Historienfilm als Kammerspiel, Opulenz auf engstem Raum, der Totentanz eines Bettlägerigen – während um den Kranken herum schon so eifrig wie eifersüchtig an der Zukunft ohne ihn gebastelt wird.


Ex Libris: The New York Public Library

USA 2017 | 198 Min. | R: Frederick Wiseman

Mit mehr als 51 Millionen Medien ist die New York Public Library eine der größten Bibliotheken der Welt. Doch das 1911 eröffnete Haus ist mehr als ein altehrwürdiges Archiv des Wissens, Sammelns und Bewahrens von Informationen – im Zuge der digitalen Revolution erfindet sich die Bibliothek neu als ein vielschichtiger und lebendiger Ort des gemeinsamen Lernens.
Dokumentarfilm-Legende Frederick Wiseman ist mit seiner Kamera tief in den Kosmos der New York Public Library eingedrungen und hat einen Ort entdeckt, an dem Demokratie gelebt wird. Hier, zwischen Bücherstapeln und Monitoren, kann jeder sein Recht auf Bildung wahrnehmen und sich mit Anderen austauschen. Die Kraft der Gedanken ist der Anfang einer besseren Welt.


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