Filmfriend Mai 2021

Filme im Mai

kuratiert von Florian Deterding

 

 

Florian Deterding, geboren 1977 in Bielefeld, ist Diplom-Pädagoge mit dem Schwerpunkt Medien. Seit 2007 leitet er das Kino “Black Box” im Düsseldorfer Filmmuseum. In den Jahren 2017 und 2019 wurde das Programm mit dem Kinopreis des Kinematheksverbundes ausgezeichnet. Film wird in der Black Box in erster Linie als Kunst verstanden, wobei in der Programmauswahl das klassisch narrative Kino mit filmhistorischem Schwerpunkt im Fokus steht. Thematisch kuratierte Filmreihen, Werkschauen und regelmäßig wiederkehrende Programme ergänzen diese Struktur.


White Star

D 1983 | 91 Min. | R: Roland Klick mit Terrance Robay, Dennis Hopper

Extreme Regiebedingungen und zügelloses Schauspiel! Ken Barlows (Dennis Hopper) Glanzzeit als Rock’n Roll Tour-Manager ist vorüber, doch seine großen Ideen vom Erfolg kann er nicht aufgeben. Und er will es noch mal wissen: der Musiker Moody ist seine letzte Chance und sein Opfer … Der Auftritt im verruchten Berliner Punk-Club wird zum Debakel, das in einer Straßenschlacht endet. Doch für Barlow ist der Abend ein voller Erfolg. Besessen von der Idee, dass im schnelllebigen Show-Geschäft nur Schlagzeilen zählen, egal ob gute oder schlechte, ist ihm jedes Mittel recht. Die Situation eskaliert. Der kokainsüchtige und größenwahnsinnige Hopper spielt sich selbst und lässt den Film 90 Minuten lang vor der Explosion stehen. 100% unverfälscht. „The emotionally most demanding film I’ve ever made, and therefore the most dangerous one – for me.“ – Dennis Hopper


Donbass

UKR 2018 | 122 Min. | R: Sergey Loznitsa mit Tamara Yatsenko, Olesya Zhurakovskaya

Der Donbass in der Ostukraine. Seit 2014 herrscht hier ein blutiger Konflikt zwischen ukrainischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten. In 13 kaleidoskopartigen, absurden Vignetten zeigt Regisseur Sergei Loznitsa ein Land, das zwischen informellen Machtstrukturen, Korruption und Fake News zerrieben wird. Eine Gruppe Schauspieler inszeniert einen TV-Beitrag über einen fingierten feindlichen Anschlag; aus Rache für einen vermeintlichen Rufmord kippt eine Politikerin Fäkalien über den Kopf eines Chefredakteurs; ein Mann führt durch eine weitverzweigte Bunkeranlage, in dem dutzende Menschen Zuflucht vor Feuerbeschuss suchen. Beschlagnahmungen, Kontrollschikanen und Prügelstrafen sind an der Tagesordnung. Der kalte Horror von Angst, Gewalt und Hysterie erfasst mehr und mehr Bereiche des Lebens und nimmt immer groteskere Züge an … „Donbass“ eröffnete 2018 in Cannes die Sektion „Un Certain Regard“ und wurde von der internationalen Presse als Meisterwerk gefeiert. Sergei Loznitsa erhielt für seine medienkritische und hochpolitische Farce den Sektions-Preis für die Beste Regie.


Alle Jahre wieder

D 1976 | 83 Min. | R: Ulrich Schamoni mit Ulla Jacobsson, Sabine Sinjen

Der Werbetexter Hannes Lücke ist auf dem Weg zum Familien-Weihnachtstritual in die Heimatstadt Münster. Wie jedes Jahr – eines nur ist diesmal anders: Die heile bürgerliche Welt zeigt Risse, der verheiratete Hannes nimmt seine junge Freundin Inge mit und quartiert sie in einem Hotel ein. Eigentlich soll sich Inge nach Anweisung von Hannes auf keinen Fall in seiner Nähe sehen lassen. Doch Inge macht ihm und seinen Festtagsplänen zwischen Klassenkameraden, Familie und Freundin einen Strich durch die Rechnung.


Der Riss

BE, F, I 1970 | 119 Min. | R: Claude Chabrol mit Stéphane Audran, Jean-Pierre Cassel

Hélène Régniers (Stéphane Audran) geisteskranker Ehemann Charles gerät derart in Rage, dass er aus Versehen ihren Sohn Michel verletzt. Daraufhin zieht sich Charles zurück zu seinen reichen und manipulativen Eltern, welche Hélène für seinen Zustand verantwortlich machen und nun das Sorgerecht für Michel wollen. Sie engagieren einen Bekannten der Familie, Paul Thomas (Jean-Pierre Cassel), der Geld braucht, um hinter Hélène her zu spionieren und einen dunklen Fleck zu finden, den sie vor Gericht gegen sie ausspielen können. Es entsteht ein teuflischer Plan, um Hélènes Leben zu ruinieren…


Flucht nach Berlin

D 1961 | 101 Min. | R. Will Tremper mit Christian Doermer, Susanne Korda

Der ostdeutsche Bauer Hermann Güden (Narziss Sokatscheff) hat von den staatlich angeordneten Schikanen der SED-Oberen genug. Er ist nicht länger bereit, sich der Zwangskollektivierung daheim in seinem sachsen-anhaltischen Dorf zu unterwerfen, da dieser Zustand ihm keine Perspektive mehr bietet. Und so plant er von langer Hand die Flucht in den Westen. Güden schickt zunächst Frau und Kind in den Westen Berlins und will so schnell es geht nachkommen. Doch die SED-Apparatschiks bekommen Wind von der Sache. Im Eifer des Gefechts verprügelt Güden den Parteigenossen Baade (Christian Doermer) und flieht anschließend.


Tangerine L.A.

USA 2015 | 89 Min. | R: Sean Baker mit Kitana Kiki Rodriguez, Mya Taylor

Es ist Heiligabend in Los Angeles, doch statt Besinnlichkeit und Nächstenliebe beschäftigen die transsexuelle Prostituierte Sin-Dee ganz andere Dinge. Nach ihrer achtundzwanzig tägigen Haftstrafe trifft sie sich beschwingt mit ihrer Freundin Alexandra die ebenfalls als Prostituierte arbeitet. Doch ihre anfängliche Euphorie schwindet als sie erfährt, dass ihr Zuhälter, der gleichzeitig auch ihr Geliebter ist, sie mit einer anderen Frau betrügt. Statt klein beizugeben beschließen die beiden den untreuen Freund und seine neue Gespielin aufzusuchen und es ihnen heimzuzahlen. Schon auf dem Weg dorthin geht es tumultartig zu zwischen den Freundinnen, doch Sin-Dee lässt sich durch Nichts von ihrem Vorhaben abbringen.


Der nackte Mann auf dem Sportplatz

DDR 1974 | 98 Min. | R: Konrad Wolf mit Kurt Böwe, Ursula Karusseit

Wortkarg und verschlossen ist der knapp 40-jährige Bildhauer Herbert Kemmel, seine Werke sollen für sich sprechen. Mit seiner Frau Gisi und seinem Sohn Michael lebt er am Rande von Berlin in dörflicher Atmosphäre. Wenn er im Atelier arbeitet, vergisst er alles um sich herum, die Familie zieht da den Kürzeren. Gern kommen Nachbarn zu Besuch, aber die meisten reagieren verunsichert auf Kemmels Kunst oder dessen Gedanken über den Krieg, den er noch selbst erlebt hat. An Kriegsverbrechen, wie in der Schlucht von Babi Jar, will er künstlerisch erinnern. Auch die Bauersfrauen, die den Entwurf zu einer Relief-Auftragsarbeit begutachten sollen, wissen nicht recht, was sie sagen sollen. Zur Einweihung bitten sie ausgerechnet Kemmel, eine Rede zu halten. Als dieser extra dafür anreist, kann er sein Relief im Ort nicht entdecken – denn es ist im Feuerwehrturm abgestellt. Schwierigkeiten hat er auch mit einem ehemaligen Wismut-Arbeiter, den er zunächst vergeblich bittet, ihm Modell zu sitzen. Eine Ausnahme ist da ein junges Paar, das, obwohl es in Kürze sein erstes Kind erwartet, gern eine Zeichnung des Künstlers erwerben will. Als Kemmel wieder in seinem thüringischen Heimatdorf zu Besuch ist, schlägt er seinem ehemaligen Fußballverein vor, für sie ein Denkmal zu entwerfen. Lange sucht Kemmel nach dem richtigen Motiv, tastet sich heran und gestaltet – einen nackten Läufer.

Das direkt nach „Goya“ gedrehte, gelungene Gegenwartswerk beschäftigt sich erneut mit der widerspruchsvollen Situation des Künstlers in der Gesellschaft. Vorbild ist nun der Bildhauer Werner Stötzer, der im Film den Bürgermeister spielt. Mit einer subjektiven Handkamera und überzeugenden Darstellern – allen voran Kurt Böwe – gelingt eine authentische Atmosphäre, die dem Zuschauer auch viel über ein untergegangenes Land erzählt. Persönliche Erfahrungen von Konrad Wolf sind ebenso in den Film eingeflossen, so z.B. eine Anspielung auf seinen knapp 15 Jahre unter Verschluss gehaltenen Wismut-Film „Sonnensucher“.


Der Start

BE 1967 | 86 Min. | Jerzy Skolimowski mit Jean-Pierre Léaud, Catherine-Isabelle Duport

Der 19-jährige Friseurlehrling Marc träumt von Autos und Autorennen. In zwei Tagen findet wieder ein Rennen statt, bei dem sich Marc kurzerhand mit dem geborgten Porsche seines Chefs zum Start gemeldet hat. Doch sein Chef beabsichtigt, überraschend mit dem Wagen über das Wochenende wegzufahren; jetzt muss Marc sich ein anderes Auto beschaffen. Beim Autoverleih könnte er einen Wagen mieten, aber dazu müsste er 15 000 Francs hinterlegen; Marc ist verzweifelt. Nur mit Mühe hält ihn seine neue Freundin Michele davon ab, auf der Automobilausstellung Ersatzteile zu stehlen. Kann Marc seinen grossen Traum noch verwirklichen?


Filmfriend im April

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