Filmfriend Oktober 2021

Filme im Oktober

kuratiert von Jan Bonny

 


 
Jan Bonny ist ein deutscher Film- und Theaterregisseur. Seine Filme (Gegenüber, Wintermärchen, Wir wären andere Menschen, u.a.) wurden in Cannes, Locarno, Berlin, Busan, etc gezeigt. Nominierungen und Preise, bei Camera d’Or, Europäischer Filmpreis, Preis der deutschen Filmkritik, Grimme Institut, Oberhausen u.a. Gemeinsame Arbeiten mit Alex Wissel (Single, Rheingold, u.a.) wurden im mumok Wien, Haus der Kunst München, Kölnischer Kunstverein, Julia Stoschek Collection gezeigt. Theaterinszenierungen an der Volksbühne Berlin, Schauspielhaus Basel. Studium an der KHM Köln, Binger Lab Amsterdam, Torino Filmlab. Mitglied der Europäischen und Deutschen Filmakademie. Aktuell arbeitet er an der Netflix Serie Cable Cash (AT). Aufgewachsen in Düsseldorf.


Spur der Steine

DDR 1966 | 139 Min. | R: Frank Beyer mit Manfred Krug, Krystyna Stypulkowska

Hannes Balla (Manfred Krug) ist Brigadeleiter auf der Großbaustelle Schkona. Seine Truppe gehört zu den arbeitsfähigsten Brigaden auf der ganzen Baustelle. Daher wird ihr manchmal unkonventioneller Stil, sich fehlendes Baumaterial notfalls mit Gewalt zu besorgen, stillschweigend akzeptiert. Eines Tages tritt der neue SED-Parteisekretär Werner Horrath (Eberhard Esche) sein Amt an und fühlt sich von der anarchischen Arbeitsweise in seiner Machtposition geschwächt. Gleichzeitig sieht er in Balla einen starken Vorarbeiter, vor dem er Respekt hat, und den er für seine Vorstellungen von einer effektiven Arbeitsweise gewinnen will.
Dann kommt die Ingenieurin Kati Klee (Krystyna Stypułkowska) auf die Baustelle und beginnt ihre Arbeit. Die beiden Männer werden zu Rivalen, da beide sich in den Neuankömmling verlieben. Obwohl Kati Hannes‘ Vorgehensweise, Schwierigkeiten auf dem Bau eigensinnig aber effektiv zu lösen, nahe steht, verliebt sie sich in den idealistischen Parteifunktionär Horrath. Um die Karriere des verheirateten Familienvaters nicht zu gefährden, hält sie die Liebesbeziehung zu ihm geheim. Selbst als sie schwanger wird, schützt sie aus Loyalität seinen Namen. Doch der Tag rückt näher, an dem Horrath sich für seine berufliche Zukunft oder seine Liebe zu Kati Klee entscheiden muss…



Mado

D, F, I 1976 | 121 Min. | R: Claude Sautet mit Michel Piccoli, Ottavia Piccolo

Simon (Michel Piccoli), ein 50 jähriger Immobilienmakler, steht an einer Wende seines Lebens und seiner Karriere. Vor seinen finanziellen Schwierigkeiten, dem allgemeinen Unbehagen seiner Zeit und einer schwierigen Gefühlssituation flüchtet er sich gern zu Mado (Ottavia Piccolo), einer jungen Italienerin, die sich gelegentlich in höheren Gesellschaftskreisen prostituiert. Mado liebt Pierre (Jaques Dutronc), einen jungen Arbeitslosen, dem sie bei Simon eine Anstellung verschafft. Simon seinerseits versucht Helene (Romy Schneider) Halt zu geben, einer jungen Alkoholikerin, die er beinahe geheiratet hätte und für die er noch immer große Zuneigung empfindet…



Pusher

DK 1996 | 111 Min. | R: Nicolas Winding Refn mit Kim Bodnia, Mads Mikkelsen

Der Kopenhagener Drogendealer Frank will mit seinem Komplizen Tonny 200 Gramm Heroin an einen schwedischen Kunden verkaufen und erhält den Stoff für den Deal von dem jugoslawischen Gangsterboss Milo. Allerdings ist die Polizei über das Drogengeschäft informiert und Frank ist gezwungen die gesamte Ware während der Flucht in einem See zu versenken. Die Gesetzeshüter können ihm zwar nichts nachweisen, aber dafür steht Frank auch ohne Drogen und Geld da und hat ein äußerst großes Problem am Hals. Er schuldet Milo eine Summe von 230.000 Kronen und muss ihm diese innerhalb kürzester Zeit zurückzahlen.



Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste

D 2014 | 78 Min. | R: Isabell Šuba mit Anna Haug, Matthias Weidenhöfer

Dieser Film ist ein Experiment mit der Wirklichkeit: Die real existierende Regisseurin Isabell Šuba machte 2012 aus ihrer Einladung nach Cannes ein Filmprojekt. Für „Männer zeigen Filme und Frauen ihre Brüste“ gab sie ihre Identität im gesamten Festivalzeitraum an Schauspielerin Anne Haug ab und akkreditierte sich selbst als Filmstudentin Anne Woelky. „Männer zeigen Filme …“ entstand in fünf Drehtagen, ohne Gagen und sollte ein Zeichen setzen: für die Chancengleichheit von Frauen in der Filmindustrie und dafür, dass wir weibliche Vorbilder brauchen, die sich endlich neben den Herren der Branche etablieren. Aber wie soll das gehen, wenn in Deutschland die hohen Förderbeträge fast ausschließlich von männlichen Filmemachern eingestrichen werden? Zeit für Veränderung. Zeit für neue Frauenfiguren à la Isabell Suba: talentiert, selbstbewusst, kämpferisch.



Zur Sache, Schätzchen

D 1968 | 81 Min. | R: May Spils mit Werner Enke, Uschi Glas

Werner Enke verkörpert sein Alter Ego, den verschlafen-dynamischen Nichtstuer Martin, der die Welt mit pseudophilosophischen Sprüchen beglückt und in den Tag hinein lebt, wenn nicht gerade Polizisten und andere Zeitgenossen verärgert werden. „Es wird böse enden…“ ist Martins Devise. Aber dann wirbelt die Begegnung mit Barbara, knackige und wohlbehütete Tochter aus gutbürgerlichem Hause, mit der man so schön fummeln kann, sein Leben fröhlich durcheinander.
Der Film wurde 2013 aufwendig restauriert. Neben der Originalfassung in 4:3 erstellte die Regisseurin May Spils auch eine 16:9-Variante. Bei alleskino sind beide Fassungen (und zusätzliche zum Vergleich die unrestaurierte SD-Variante) erhältlich. Das Video zeigt beispielhaft eine Szene in den beiden Bildformaten.



Verriegelte Zeit

DDR 1991 | 91 Min. | R: Sibylle Schönemann

Filmemacherin Sibylle Schönemann wurde in der DDR 1984 plötzlich und ohne Vorwarnung aus politischen Gründen inhaftiert. Mit den beiden Töchtern (6 und 10) und ihrem damaligen Mann Hannes Schönemann lebte sie in Potsdam. Auch Hannes Schönemann wurde verhaftet, getrennt von seiner Frau. Das Ehepaar hatte einen Ausreiseantrag gestellt, weil sie in der DDR keine berufliche Zukunft für sich sahen. Sonst hatten sie sich aber politisch kaum exponiert. Die Verhaftung der Schönemanns erfolgt völlig willkürlich, kommt als Schock, zerreißt die Familie. Wie lange die Haft dauern würde, wussten die Eltern ebensowenig wie die Töchter, die während der Haft der Eltern zu Verwandten kommen. Die Ungewissheit war total. Nach Verurteilung zu 12 Monaten Gefängnis wurden die Schönemann-Eltern schließlich in den Westen abgeschoben, freigekauft durch die Bundesrepublik. Einige Zeit danach durften auch die Töchter den Eltern in den Westen folgen. Für die Familie war danach nie wieder etwas wie vorher.

1990 ging Sibylle Schönemann zurück an die Orte ihrer Haft und befragte Menschen, die Verantwortung für die Beschädigung ihrer Familie trugen. Die weisen eine Verantwortung ausnahmslos zurück und berufen sich darauf, nach Recht und Gesetz gehandelt zu haben. Manche verweigern sich auch ganz.



Die Werckmeisterschen Harmonien

HUN 2000| 141 Min. | R: Béla Tarr, Agnes Hranitzky mit Lars Rudolph, Peter Fitz

Die Temperaturen liegen 20 Grad unter Null, doch es liegt kein Schnee in der tristen ungarischen Kleinstadt. Aus der ganzen Region strömen Menschenmassen wie im Wahn in das Städtchen, um im gastierenden Zirkus die Hauptattraktion zu bewundern: einen toten Wal. Auch der junge Außenseiter Valuska macht sich mit seinem einzigen Freund György auf den Weg, um das Monster zu bestaunen. Die schneelose Kälte und die ungewohnte Menschenmasse bringen das Städtchen bald an den Rand des Chaos’. Angestaute Aggressionen werden frei, eine destruktive emotionale Woge überrollt die Menschen, ob beteiligt oder unbeteiligt, und verwandelt den Ort in ein apokalyptisches Szenario. Einzig die Freundschaft der beiden Männer lässt in diesem Spektakel noch an Hoffnung und Menschenwürde glauben.


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