Filmfriend September / Oktober 2022

Filme im September & Oktober

kuratiert von Katrin Mundt

Katrin Mundt ist Kuratorin, Autorin und Ko-Leiterin des European Media Art Festival (EMAF) in Osnabrück. Sie hat Filmprogramme und Ausstellungen u.a. für: Videonale Bonn, HMKV Dortmund, WKV Stuttgart, Museum Wiesbaden, Matadero Madrid und 25 FPS Zagreb kuratiert. Sie war Kommissionsmitglied der Duisburger Filmwoche, der Kurzfilmtage Oberhausen und des Kasseler Dokfest. Seminare, Workshops und Vorträge u.a. an der Ruhr-Uni Bochum, der H-H-U Düsseldorf, Goldsmiths London und KHM Köln.


Dilim Dönmüyor – Meine Zunge dreht sich nicht

DE 2013 | 93 Min. | R: Serpil Turhan

Meine Mutter heiratete meinen Vater 1973 in Küçük Otlukbeli, einem kleinen Dorf im Osten der Türkei. Nach ihrer Hochzeit emigrierten sie nach Berlin. Seit über 30 Jahren hat meine Mutter ihr Heimatdorf nicht mehr besucht. Jedes Jahr nahm sie sich die Reise dorthin vor, verschob sie jedoch immer wieder. Im Jahr 2011 begleite ich meine Großeltern mit einer Kamera in das Dorf. Küçük Otlukbeli ist mittlerweile verlassen. Geblieben sind Erinnerungen, Ruinen und die Natur. Meine Großmutter erzählt mir zum ersten Mal von ihrer Kindheit, ihrem harten Leben im Dorf und ihrer Hochzeit. Mit den Eindrücken aus der Heimat meiner Eltern kehre ich nach Berlin zurück. Ich beginne, meine Eltern in ihrem Alltag zu filmen. Wir führen Gespräche über ihre Erinnerungen an das Dorf, über ihr Leben in Deutschland und über den Verlust ihrer kurdischen Muttersprache.


Vitalina Varela

PT 2019 | 125 Min. | R: Pedro Costa

Vitalina kommt mit 55 Jahren endlich von den Kapverden nach Portugal. Über 20 Jahre wartete sie auf ein Flugticket, und nun kommt sie zu spät: ihr Mann ist drei Tage zuvor gestorben. Irritiert versucht sie, sich im Haus des Verstorbenen, das im Lissaboner Armenvorort Fontainhas steht, zurechtzufinden und sein Leben zu rekonstruieren. Während die Bewohner*innen des Viertels sie aufsuchen, reflektiert Vitalina ihre Zeit mit ihrem Mann, die gemeinsame und die getrennt verbrachte. Doch selbst in der schäbigen Kirche des Ortes, wo Vitalina sich mit dem alternden Priester unterhält, scheint kein Trost zu finden zu sein …


Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes

DE 2017 | 100 Min. | R: Julian Radlmaier

Ein bürgerlicher Windhund gesteht, wie er vom Filmemacher zum Vierbeiner wurde: Weil er gerade keine Förderung bekommt, sieht Julian sich gezwungen, einen Job als Erntehelfer anzunehmen. Als er der jungen Kanadierin Camille weismacht, es handele sich dabei um die Recherche für einen kommunistischen Märchenfilm, in dem sie die Hauptrolle spielen soll, will sie ihn begleiten und Julian spinnt romantische Fantasien. So landen die beiden in der trügerischen Idylle einer ausbeuterischen Apfelplantage. Während Julian unter der körperlichen Arbeit leidet und sich vor den merkwürdigen Zimmergenossen in den Containerbaracken fürchtet, stürzt sich Camille enthusiastisch in die vermeintliche Recherche und freundet sich mit Hong und Sancho an, zwei wundergläubige Proletarier auf der Suche nach dem Glück. Für Julian wird es zunehmend schwieriger, den kommunistischen Filmemacher zu performen, außerdem kommt ihm ein Vorzeigearbeiter mit amerikanischen Träumen in die Quere, ein stummer Mönch mit magischen Kräften und einem Sprung in der Schüssel tritt auf, die Plantagenbesitzerin wird versehentlich getötet und eine versuchte Revolution endet in Ratlosigkeit. Da kommen die Spatzen in den Bäumen mit einem unerhörten Plan…


Paterson

DE, FR, US 2016 | 119 Min. | R: Jim Jarmusch mit Adam Driver, Golshifteh Farahani

PATERSON erzählt die Geschichte des Busfahrers Paterson, der genauso heißt wie der Ort, in dem er lebt. Die Kleinstadt in New Jersey und ihre eigentümlichen Bewohner sind die Inspiration für seine Gedichte, die er Tag für Tag in der Mittagspause auf der Parkbank verfasst. Die Welt seiner Frau Laura dagegen ist im ständigen Wandel. Fast täglich hat sie neue Träume, jeder einzelne von ihnen ein anderes, inspirierendes Projekt. Paterson liebt Laura und sie ihn. Er unterstützt ihre neugefundenen Ambitionen und sie bewundert seine Gabe für Poesie.


Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann – Ostberliner Kohlenträger

DDR 1989 | 53 Min. | R: Helke Misselwitz

Jahreswechsel 1988/89. Helke Misselwitz beobachtet den Alltag der Kohlenhandlung am Falkplatz im Ostberliner Bezirk Prenzlauer Berg. Niemand ahnt, dass sich das Leben im Kiez in kommenden zwei Jahren radikal verändern wird. Schon seit 1922 existiert der kleine Familienbetrieb, trotz Sozialismus ist er privat geblieben. Nur umziehen musste er, weil der ursprüngliche Firmensitz an der Gleimstraße 57 noch näher an der Grenze zu Westberlin lag als jetzt. Kohlen schleppen mag Männerarbeit sein – aber die Chefin des Betriebes ist in dieser Generation eine Frau: Renate Uhle, schnell mit dem Mund und von überraschender Nachdenklichkeit. Der Film beobachtet sie und die Kohlenträger bei ihrer Arbeit. Ein Beruf, dessen gesellschaftliches Ansehen landläufig nicht sehr hoch ist.


The Rider

US 2018 | 104 Min. | R: Chloé Zhao mit Brady Jandreau, Tim Jandreau

Nach einem beinahe tödlichen Rodeo-Unfall muss sich der junge Cowboy Brady Blackburn mit der Tatsache abfinden, dass er nie wieder reiten kann. Er stürzt in eine existenzielle Identitätskrise: Immerhin definiert ihn nicht nur seine Umwelt, sondern vor allem auch er selbst als Sioux-Nachkomme sich vornehmlich über seine Arbeit mit Pferden. Schwer wiegen der abschätzige Blick seines Vaters, der Abschied von seinen enttäuschten Fans und das Fehlen des einzigartigen Gefühls der Freiheit, das ihn auf dem Rücken eines Pferdes durchströmt.


A Fábrica de Nada

PT 2017 | 179 Min. | R: Pedro Pinho

Eine Aufzugsfabrik in der Nähe von Lissabon. Die Geschäfte gehen eher schlecht im von Krisen gebeutelten Portugal, entsprechend haben die Beschäftigten der Fabrik kaum etwas zu tun. Eines Nachts realisiert eine Gruppe von ihnen, dass ihre Chefs den Diebstahl ihrer eigenen Maschinen organisieren. Schnell begreifen sie, dass sie es sind, deren Arbeit hier abgewickelt werden soll. Was tun? Sie diskutieren über Politik, Aktionismus und radikale Maßnahmen, schließlich widersetzen sie sich dem Diktat von Oben und besetzen ihren Arbeitsplatz. Als sich die Verwaltung komplett aus dem Staub macht, bleiben sie in der leeren Fabrik zurück. Wie soll es weitergehen? Plötzlich eröffnen sich völlig neue, bisweilen absurd überraschende Perspektiven…


Gorleben. Der Traum einer Sache

D 1982 | 111 Min. | R: Roswitha Ziegler, Niels C. Bolbrinker mit Wolfram Moser, Halina Kremser

Im Frühjahr 1980 besetzen Atomkraftgegner einen Bohrplatz bei Gorleben und errichten dort ein „Dorf des Friedens“ aus selbstgebauten Holzhäusern und Zelten. Flankiert wurde die 33-tägige Besetzung von Diskussionen, Konzerten und Theatervorstellungen – und von der Wendländischen Filmkooperative, die die Anti-Atomkraft-Bewegung von Beginn an filmisch begleitete. Die „Freie Republik Wendland“ war ein Traum, der für kurze Zeit wahr wurde, bevor einige tausend Polizisten den Platz räumten. Der Film zeigt neben Aufbau und Räumung auch das, was in Gefahr ist: die unberührte Landschaft und die Menschen, die dort leben.


FILMFRIEND IM APRIL 2021

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Filmfriend im April 2022

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